In diesem Archiv finden Sie Unterrichts­materialien, Konzepte und Videos, die einen vielfältigen Blick auf Islam in Deutschland werfen und einen Beitrag leisten sollen, vereinfachten Weltbildern und Islam­verständnissen, wie sie das Internet dominieren, entgegenzuwirken. Um dem komplexen Phänomen islamistisch-ideologisierender Online-Ansprachen begegnen zu können, müssen politisch-bildnerische, religions- und medien­pädagogische Lernziele zusammen­gebracht werden. Unter diesen Aspekten haben wir Frage­stellungen und Methoden entwickelt, mit denen YouTube Videos, welche die Basis jedes Bausteins bilden, bearbeitet werden. Die Bausteine können einzeln angewandt oder flexibel kombiniert werden.

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Auf der Startseite finden Sie neben der Begrüßung und dem Download-Link der Materialien unter dem Schlagwort „Module“ zunächst eine Liste übergeordneter Themen­bereiche wie z.B. „Muslimsein in Deutschland“. Weiter unten erhalten Sie einen kurzen wissenschaftlich fundierten Überblick zum Einsatz von Videos in der Islamismusprävention.

Öffnen Sie ein Modul durch einen Klick auf den Titel (z.B. „Muslimsein in Deutschland“) oder das nebenstehende Bild. Jedes Modul beinhaltet eine kurze Einleitung zum Thema und drei farbig markierte Leitfragen (Politisch-bildnerisch, Medienpädagogisch, Religionspädagogisch), an denen sich die Arbeitsaufträge zu den einzelnen Videos orientieren.

Klicken Sie in der Liste „Videos“ auf eine Überschrift oder das zugeordnete Bild und Sie gelangen zu den jeweiligen Bausteinen bestehend aus einem Video mit entsprechenden Arbeitsaufträgen. Jeder dieser Aufträge bearbeitet wiederum die farblich markierten drei Fragestellungen. Teils sind diese aber auch als weiterführende Anregungen angefügt. Wo nötig beinhalten die Bausteine auch zusätzliche Hintergrund-Informationen für die Lehrkräfte.

 

Module

  • Muslimsein in Deutschland

    Bausteine zu muslimischem Leben in Deutschland, zu Meinungen und Vorurteilen darüber, und Identifikationsfiguren, die es weit gebracht haben.

  • Die Frau im Islam

    Aufzeigen von Zuschreibungen und Erwartungshaltungen und Blick auf die Vielfalt der Lebensstile Muslimischer Frauen (in Deutschland).

  • Internet-Dschihadismus

    Bausteine zum Begriff "Dschihad", zu seiner Geschichte sowie zu seinen verengten und stark verzerrten Interpretationen.

  • Scharia

    Bausteine zu verschiedenen Deutungen des Scharia-Begriffs online.

  • Islam und Comedy

    Bausteine zu Humor, Meinungsfreiheit und religiösen Gefühlen und der Frage, wer entscheidet, was lustig ist.

  • What's Up Islam? - Die Videos zu Deinen Fragen

    Du hast eine Frage, die mit Islam zu tun hat? Schreib einfach per What'sApp an What's up Islam?

 

Hintergrund - Videos als Gegenbotschaften zu islamistischem Extremismus

Das Internet ist mittlerweile zum alltäglichen Raum kommunikativen und sozialen Handelns für Jugendliche geworden. Insbesondere die „Sozialen Medien“ haben Nutzern die Möglichkeit eröffnet auch aktiv an Verbreitung, Gestaltung und Produktion von Informationsangeboten teilzunehmen und so neue Räume für die Artikulation unterschiedlicher Meinungen und Diskurse geschaffen. Extremistische Akteure nutzen diesen Umstand gezielt um ideologisierende Angebote zu verbreiten, welche zu verschiedensten islambezogenen Themen eine derart überproportionale Repräsentation erlangen, dass stark verzerrte Bilder entstehen. So ist die Darstellung von Islam im virtuellen Raum zunehmend von Diffamierung und Islamfeindlichkeit einerseits und extremistischen und islamistischen Stimmen andererseits dominiert. Das Informationsangebot zu Islam im Internet reicht von Websites mit Informationen zu Islam und islamischer Glaubenspraxis, Koranübersetzungen und tafsir (Koranauslegung) über Videos mit Predigten, Stellungnahmen oder Erzählungen zu islamischen Persönlichkeiten bis hin zu Websites auf denen man individuelle Online-Fatwas erfragen kann, darunter auch große Plattformen wie gutefrage.net.[1] Auch in den zahlreichen Gruppen auf Facebook – hier öffentlich, halb öffentlich oder privat – und den geschlossenen Gruppen der Chat Dienste wie WhatsApp oder Telegram werden Videos und Links zu oben genannten Formaten geteilt und verbreitet. „Dadurch hat der Online- oder Digitale Islam eine eigene Dynamik entwickelt und einen festen Platz im Spektrum der religiösen Orientierungsangebote erhalten“ (Müller et al. 2017: 86). Viele der digitalen Angebotsformate sind an religiöse Laien und Neulinge adressiert und gerade von jungen Menschen sind Positionen und Absichten der Sprecher zumeist nur schwer einzuordnen.

Auch, wenn die These der einsamen Radikalisierung über das Internet mittlerweile als nicht haltbar gilt, kommt der extremistischen Ansprache Online eine zentrale Bedeutung in Hinwendungsprozessen zu Extrempositionen zu. Waren früher Kontakte zu jeweiligen Szenen zuvorderst durch persönlichen Kontakt und damit einhergehende soziale Verbindlichkeiten gekennzeichnet, erleichtert die internetbasierte Kommunikation heute den Zugang und vervielfältigt unverbindliche Gelegenheiten im Schutze der Anonymität.[2] Neben diesen Möglichkeiten fördern insbesondere Unmuts- und Unsicherheitserfahrungen wie z.B. das Erleben von Perspektivlosigkeit oder Diskriminierung den Wunsch nach eindeutigen Weltdeutungen und klaren Strukturen, was Autoritarismus attraktiv macht und somit extremistischen Angeboten Vorschub leistet.[3] Als Argumentationsgrundlage für diesen Autoritarismus dient islamistischen Akteuren zentral auch die Religion. Die pauschalisierenden Zuschreibungen, von denen der gesellschaftlich-mediale Diskurs geprägt ist, wissen sie als Beleg für die Ablehnung der deutschen Gesellschaft für sich zu nutzen und knüpfen ihre theologische Argumentation daran an. Für Fachkräfte der schulischen und außerschulischen Bildung erfordert der Umgang mit extremistischen Medienbotschaften folglich ein umfangreiches Wissen um internetbasierte Kommunikationsformen, das Zusammenspiel soziokultureller und sozioökonomischer Faktoren, sowie religionsbezogener Aspekte. Daraus ergibt sich ein spezifischer Bedarf nach didaktisch aufbereiteten Arbeitsmaterialien, die politisch-bildnerische, religionspädagogische und medienpädagogische Perspektiven zusammenbringen.


Ansatz


Auf Digital-Salam finden sie daher Materialien, die einen Ansatz aufgreifen, der in der Internationalen Extremismusprävention verstärkt verfolgt wird und welcher die Produktion und mediale Verbreitung von Gegennarrativen (engl. Counter Narratives oder Alternative Narratives) verfolgt. Ziel ist es, multimedial verbreiteten extremistischen Erzählungen „alternative Deutungen gesellschaftlicher Phänomene und Entwicklungen und Konzepte pluralistischer, freiheitlicher und integrativer Gesellschaften und Lebensentwürfe entgegenzustellen.“[4] So sollen bei potentiell gefährdeten Jugendlichen, aber auch bei denjenigen, die sich bereits extremistischen Ideologien zugewandt haben, Zweifel gesät und Einstellungsänderungen bewirkt werden. Auch als Empowerment-Strategie findet der Counter-Narrative Ansatz Eingang in die Präventionspraxis, indem junge Menschen befähigt werden sollen, sich zur Wehr gegen ausgrenzende Botschaften zu setzen, klar Position zu beziehen und selbst Counter-Speech zu verfassen.[5]

Beim Einsatz von Videos, die sich direkt gegen Islamismus, Salafismus oder den vermeintlichen Islamischen Staat richten, Ideologie also direkt „countern“ sollen, ist große Vorsicht geboten, denn es besteht immer auch die Gefahr kontraproduktiver Effekte. So können Gegenbotschaften gerade von affinen und extremistisch orientierten Menschen eher als Ausdruck von Ablehnung und Ausgrenzung denn als Gesprächsangebot begriffen werden, wodurch Abschottungsprozesse gefördert werden könnten. Außerdem können sie „stereotypisiernde Gefährdungsannahmen“ über die anvisierte Zielgruppe reproduzieren und damit zu ihrer Stigmatisierung beitragen. Die Autorschaft eines Angebots ist daher maßgeblich für die Glaubwürdigkeit bei der jeweiligen Zielgruppe.[6]

Die Vorschläge, welche Sie auf Digital-Salam finden, vermeiden daher einerseits eine Gegenüberstellung von Propaganda und direkt auf diese abzielende Gegenbotschaften, um Abwehrreaktionen zu vermeiden. Stattdessen werden unterschiedliche Videos mit eher indirekten Gegenbotschaften herangezogen, deren Nutzung darauf abzielen soll, Ambiguitätstoleranz zu fördern und dadurch ideologisierende autoritative Botschaften zu unterlaufen. Da die alleinige Rezeption von Videos (entgegen verbreiteter Annahmen) keine Einstellungsveränderung bewirkt, werden sie in politisch-bildnerische sowie religions- und medienpädagogische Fragestellungen eingebettet. Grundlage für die Unterrichtseinheiten sind die Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses: Zielgruppenorientierung, Kontroversität und das Verbot von Überwältigung. Die verwendeten Videos, sollen dem entsprechend nicht Medien der Überzeugung sein, sondern Diskussionsgrundlagen bereitstellen, auf deren Grundlage sich idealerweise der Austausch kontroverser Meinungen ergibt.

[1] Müller et al. (2017: 86)

[2] Hohnstein, Sally & Michaela Glaaser (2017): Wie tragen digitale Medien zu politisch-weltanschaulichem Extremismus im Jugendalter bei und was kann pädagogische Arbeit dagegen tun? Ein Überblick über Forschungsstand, präventive und intervenierende Praxisim Themenfeld. In: Hohnstein S. & M. Herding (Hrsg.): Digitale Medien und politisch-weltanschaulicher Extremismus im Jugendalter. Halle (Saale): Deutsches Jugendinstitut. S. 249. ff. ; Nordbruch & Qasem (2017:134f.)

[3] Rieger, Diana, A. Morten & L. Frischlich (2017): Verbreitung und Inszenierung. In: Frischlich, L. D. Rieger, A. Morten & G. Bente (Hrsg.): Videos gegen Extremismus? Counter-Narrative auf dem Prüfstand. Wiesbaden: Bundeskriminalamt. S. 74-75.

[4] Hohnstein & Glaser (2017:260)

[5] Ebd. 261. Anregungen finden sich auf der Website der „No-Hate-Speech“-Kampagne.

[6] Ebd.